Das Einheitspatent oder Unitary Patent ist endlich da.
Patentschutz für Europa, das gibt es schon lange. Bislang zerfiel das Europäische Patent jedoch nach der Patenterteilung in ein Bündel einzelner nationaler Patente. Jetzt gibt es das Einheitspatent, das Ihnen derzeit Schutz in 18 Ländern bietet.
Seit Juni 2023 gibt es auch ein neues gemeinsames Gericht der europäischen Länder, welches zu Streitigkeiten im Patentbereich entscheidet: das Einheitliche Patentgericht (Unified Patent Court).
Das Einheitspatent bietet Schutz für Ihre Innovationen in Europa. Richtig, Europäische Patente – gibt es die nicht schon seit langem? Ja – bislang zerfielen diese jedoch nach der Patenterteilung in einzelne nationale Patente.
Inzwischen haben Sie die Wahl. Sie melden, wie bereits lange üblich eine Erfindung zum Patent beim Europäischen Patentamt an. Bei Patenterteilung können Sie sich entscheiden – für das klassische Bündelpatent aus einzelnen nationalen Patenten oder für das Einheitspatent.
Das Einheitspatent oder Patent mit einheitlicher Wirkung (EPeW) bietet Ihnen derzeit Schutz in 18 Ländern. Weitere Länder haben die Ratifizierung angekündigt.
Die Idee, ein einheitliches, für alle Länder der Europäischen Union geltendes Patentsystem zu schaffen, geht zurück bis in die 1970er Jahre. Parallel zur Schaffung des Ihnen bekannten Europäischen Patentes erarbeitete man bereits die Grundzüge eines Patentes für den gemeinsamen Markt. Die verschiedenen Anläufe 1975, 1989, 2000 und 2003 scheiterten insbesondere immer auch an der Frage des Sprachensystems.
Im Jahr 2011 entschieden sich mit Ausnahme von Spanien und Italien alle Staaten der Union, ein Einheitliches Patentsystem im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit zu schaffen. Neben dem Patent als Schutzrecht wurde intensiv über eine Gerichtsbarkeit verhandelt, welche für Verletzungsverfahren und Nichtigkeitsverfahren zuständig sein sollte.
Zunächst erschien ein Inkrafttreten im Jahr 2014 als wahrscheinlich. Verschiedene Klagen gegen die verabschiedeten Verordnungen, auch vor dem Bundesverfassungsgericht, und nicht zuletzt das Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union ließen ein Scheitern bis zuletzt möglich erscheinen.
Seitdem Deutschland die Ratifikationsurkunde für das Protokoll über die vorläufige Anwendung zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht hinterlegt hat, ist das Mindestquorum erreicht.
Das Europäische Patentgericht hat seine Tätigkeit zum 1. April 2023 aufgenommen.
Das Einheitspatent – Einführung
Das Ihnen bekannte Europäische Patent nach dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) zerfällt nach der Erteilung in einzelne nationale Patente.
Deshalb wählen Sie im Anschluss an die Erteilung diejenigen Länder aus, in welchen Sie Patentschutz für Ihre Erfindung wünschen. Dies bezeichnet man als Validierung. Die sogenannten nationalen Teile des Europäischen Patentes unterliegen in Hinblick auf die Fragen der Patentverletzung und der Nichtigkeit ausschließlich nationaler Gesetzgebung und nationaler Rechtsprechung, wenngleich es einheitliche Grundlagen gibt.
In Folge dessen muss ein Verletzer in jedem Vertragsstaat verklagt und die Nichtigkeit in jedem Vertragsstaat eingeklagt werden. Das Einheitspatent gilt mit seiner Erteilung für alle zum Zeitpunkt der Erteilung am System teilnehmenden Staaten. Wird eine Verletzung durch das Einheitliche Patentgericht in einem teilnehmenden Staat festgestellt, gilt diese Feststellung automatisch in jedem anderen teilnehmenden Staat ebenfalls. Wird das Patent in für nichtig erklärt, fällt es insgesamt. In seiner Wirkung ist das Einheitspatent also bis zu einem gewissen Grad vergleichbar mit der Unionsmarke oder dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster, die als Schutzrechte für alle Staaten der Europäischen Union gelten.
Anmeldung und Erteilung
Das Patent mit einheitlicher Wirkung (EPeW) wird durch das Europäische Patentamt (EPA) erteilt. Das Verfahren zur Anmeldung und Erteilung ist identisch mit dem Verfahren bei der Anmeldung eines Europäischen Patentes (EP) nach den Regeln des EPÜ. Hier ändert sich für den Anmelder also zunächst nichts.
Um das neue Einheitspatentsystem zu nutzen, ist ein “Antrag auf einheitliche Wirkung” zu stellen. Dieser muss spätestens ein Monat nach Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des Europäischen Patents im Patentblatt gem. Art. 97(3) EPÜ gestellt sein. Diese Frist ist nicht verlängerbar. Wir begleiten Sie bei diesem Prozess und weisen Sie rechtzeitig auf alle Fristen und Entscheidungsmöglichkeiten hin.
Der Antrag kann für alle europäischen Patente gestellt werden, für die am oder nach dem 1. April 2023 die Entscheidung über die Erteilung des Europäischen Patents vorliegt.
Teilnehmende Staaten
Bis auf Kroatien und Spanien nehmen alle EU-Staaten an der Verstärken Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines Einheitspatents teil. Nach heutigem Stand wird das Einheitspatent mit Wirkung für zunächst 18 Staaten erhältlich sein:
Österreich, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Lettland, Litauen, Luxembourg, Malta, Niederlande, Portugal, Rumänien, Slowenien und Schweden.
Es werden weitere Länder hinzukommen. Das Abkommen haben zudem Zypern, Griechenland, Irland, Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn unterschrieben. Auch Kroatien und Spanien werden sich noch zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden können, beizutreten.
Praktisch erhält ein Anmelder derzeit das Einheitspatent für 18 Länder. In diesen Ländern sind alle Vorteile des neuen Systems nutzbar und das europäische Patent hat eine einheitliche Wirkung.
Wird Patentschutz in weiteren Ländern benötigt, die nicht zu den 18 teilnehmenden zählen, kann parallel dazu unproblematisch nach dem altbekannten Validierungssystem Schutz für weitere einzelne Länder generiert werden.
Kosten
Die Kosten des Einheitspatents wie auch des altbekannten Europäischen Patentes lassen sich in die Kosten des Anmelde- und Erteilungsverfahrens, die Kosten der Validierung und die Kosten der späteren Verwaltung teilen. Eine besondere Bedeutung kommt eventuellen Kosten im Falle von Patentstreitigkeiten zu, auf die wir im Zusammenhang mit den Erläuterungen zur neuen Gerichtsbarkeit eingehen.
Anmelde- und Erteilungsverfahren
Da das Anmelde- und Erteilungsverfahren aus dem EPÜ System beibehalten wird, ändern sich die Kosten für diese beiden Verfahrensabschnitte nicht. Die Kosten für die Anmeldung und das Erteilungsverfahrens sind also für das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (EPeW) und das Europäische Patent nach EPÜ (EP) identisch.
Die Kosten nach der Erteilung sind jedoch für beide System unterschiedlich.
Für das altbekannte System der Europäischen Patents, welches in einzelne nationale Patent zerfällt, müssen einzelne Länder ausgewählt werden. In diesen wird das Patent dann „validiert“. Unter der Validierung wird nach im System des EPÜ das Erfüllen der Voraussetzungen für die Gültigkeit des Europäischen Patentes in den einzelnen EPÜ-Staaten verstanden. Hierzu gehören insbesondere das Einreichen von Übersetzungen und die Bestellung nationaler Vertreter im EPÜ-System. Für diese Vorgänge fallen für jedes der gewählten Länder Kosten an.
Beim Einheitspatent ist dies nicht der Fall. Zwar ist ebenfalls vorgesehen, dass das Einheitspatent in Gänze ins Englische zu übersetzen ist, wenn die Anmeldung auf Deutsch oder Französisch erfolgt ist. Liegt der Anmeldetext hingegen in Englisch vor, ist eine Übersetzung ins Deutsche oder Französische erforderlich. Hierfür fallen selbstverständlich Kosten an.
Verwaltung/Jahresgebühren
Die Kosten der Verwaltung des EPeW wie auch des EP sind im Wesentlichen durch die anfallenden Jahresgebühren bestimmt. Weitere Verwaltungskosten können beispielsweise durch Umschreibungen etc. anfallen. Jahresgebühren nach dem altbekannten europäischen Patentsystem sind in den gewählten nationalen Staaten zu zahlen, sobald das Patent dort validiert wurde.
Für das EPeW ist eine Jahresgebühr zentral an das Europäische Patentamt zu zahlen. Dabei wurde festgelegt, dass diese zu zahlende Jahresgebühr in etwa den aufsummierten Jahresgebühren der (damaligen) „True Top 4“ des EPÜ, also Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Niederlande entspricht. Der dahinterstehende Gedanke war, all diejenigen Anmelder als Teilnehmer für das EPeW zu gewinnen, die bisher in diesen Staaten EPÜ-Patente validierten.
Gerne beraten wir Sie zu Kosten und Gebühren in den für Sie relevanten europäischen Ländern.
Das einheitliche Patentgericht – Einführung
Das einheitliche Patentgericht (EPG), engl. Unified Patent Court (UPC), ist eine 2023 entstandene EU-Gerichtsbarkeit, die wesentlicher Bestandteil des Systems des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung (EPeW) ist. Vor dem EPG wird sowohl über die Verletzung als auch zur Nichtigkeit von Einheitspatenten entschieden. Doch nicht nur für Einheitspatente wird das EPG zuständig sein.
Besonders für Sie als Inhaber bestehender Europäischer Patente wichtig: Auch die bereits bestehenden Europäischen Patente nach EPÜ (EP) unterliegen seit 2023 der Gerichtsbarkeit des EPG. Damit wird eine Vereinheitlichung der bisher teilweise differierenden Rechtsprechung im Patentwesen des EPÜ überwunden.
Die Entscheidungen des EPG gelten systemweit. Eine Entscheidung über die Nichtigkeit oder einen Verletzungstatbestand gilt also für alle Staaten, in denen das Einheitspatent oder das Europäische Patent nach EPÜ Geltung hat. Dies ist für EPÜ-Patente eine wesentliche Änderung, denn bislang hatten die Entscheidungen der nationalen Gerichtsbarkeit immer nur Geltung für den jeweiligen nationalen Teil.
Aufbau des Einheitsgerichts
Das einheitliche Patentgericht (EPG/UPC) besteht in der ersten Instanz aus Lokal- bzw. Regionalkammern und der sogenannten Zentralkammer. Das Gericht zweiter Instanz ist in Luxemburg angesiedelt. Als letzte Instanz dient der EUGH.
Lokal- und Regionalkammern
Lokalkammern sind Gerichtsstandorte innerhalb der Staaten. In Deutschland sind Lokalkammern an den Landgerichten in München, Hamburg, Mannheim und Düsseldorf eingerichtet. Regionalkammern werden von mehreren Staaten gemeinsam eingerichtet. So haben die baltischen Staaten und Schweden beschlossen, eine gemeinsame Regionalkammer einzurichten.
Die Lokal- und Regionalkammern werden bei Patentverletzungen angerufen. Im Fall einer gegen das angeblich verletzte Patent angestrengten Nichtigkeitsklage ist die mit der Verletzungsfrage beschäftigte Lokal- oder Regionalkammer zuständig.
Zentralkammer
Die Zentralkammer ist für Nichtigkeitsklagen zuständig, die nicht in Zusammenhang mit einem Verletzungsverfahren stehen (isolierte Nichtigkeitsklage). Die Zentralkammer ist auch für Verletzungsklagen zuständig, wenn keine Lokal- oder Regionalkammer zur Verfügung steht oder die Verletzungsklage einen Beklagten außerhalb der Vertragsstaaten betrifft. Im Übrigen ist die Zentralkammer für Feststellungsklagen zuständig. Die Zentralkammer hat ihren Sitz in München, Paris und Mailand. Die Zuständigkeit ist abhängig vom jeweiligen technischen Fachgebiet.
Opt-out / Opt-in Option
Für alle bestehenden EP und für das neue EPeW ist automatisch die neue Gerichtsbarkeit des EPG zuständig. Eine Entscheidung des EPG wird ihre Wirkung für alle 18 teilnehmenden Länder entfalten – dies gilt sowohl für bestehende EP als auch für ein neu erteiltes EPeW.
Für bereits bestehende EP kann der Inhaber die Gerichtszuständigkeit noch während einer Übergangszeit bis 2030 (verlängerbar um weitere 7 Jahre) beeinflussen, indem er einen sogenannten Opt-out Antrag stellt.
Mit einem solchen Antrag bleiben die nationalen Gerichte für das jeweilige EP zuständig. Der Antrag kann nach sieben Jahren noch einmal gestellt werden und um weitere sieben Jahre verlängert werden. Ein Opt-out Antrag ist nur möglich, wenn noch kein Verfahren vor dem EPG anhängig geworden ist (beispielsweise durch eine Nichtigkeitsklage).
Es ist umgekehrt jederzeit auch möglich, gegen eine noch nicht festgelegte Gebühr, einen Opt-in Antrag zu stellen, sodass Patentverletzungs- und Nichtigkeitsverfahren vor dem EPG verhandelt werden.
Pro- und Contra EPeW
Inwiefern sich das EPeW, das EPÜ, eine Kombination der beiden Systeme oder auch das Anmelden von einzelnen nationalen Anmeldungen für Sie lohnt, entscheidet sich anhand Ihrer Patentstrategie, insbesondere Ihrer Länderauswahl.
Vorteilhaft am EPeW ist die einheitliche Wirkung in den teilnehmenden Staaten. Die bislang notwenigen Validierungen in EPÜ-Staaten entfallen. Auch die Kosten der Jahresgebühren werden sinken, wenn Sie bislang mehr als vier nun am EPeW System teilnehmende EPÜ- Staaten ausgewählt hatten.
Problematisch ist, dass wesentliche Staaten Osteuropas und Spanien an dem System noch nicht teilnehmen. Diese können nur separat hinzugenommen werden. Großbritannien wird über das EPeW nicht erreichbar sein.
Erste Fälle sind bereits entschieden. Ob sich die neue Gerichtsbarkeit ausschließlich an der Praxis des Europäischen Patentamts orientieren oder eine eigene Linie fahren wird, die eventuell auch von Grundsätzen nationaler Rechtsprechung geprägt ist, werden die kommenden Jahre zeigen.
Erfreulich kann man sich bislang über die kurze Verfahrensdauer äußern. Wir verfolgen die Entwicklung für Sie aufmerksam und beraten Sie in Ihrer individuellen Situation gerne ausführlich.
Ihre Entscheidung
Es liegt nun an Ihnen zu entscheiden, was mit Ihren Patentanmeldungen und erteilten Patenten passieren soll.
- Soll ein Antrag auf ein Patent mit einheitlicher Wirkung gestellt werden, insofern Ihre Patentanmeldungen bei EPA noch anhängig sind?
- Benötigen Sie den Schutz auch in Ländern, welche nicht am EPeW teilnehmen?
- Möchten Sie von der opt-Out Möglichkeit Gebrauch machen? Oder sollen alle Verfahren vor dem EPG stattfinden?
Brauchen Sie noch weitergehende Entscheidungshilfen oder Informationen, dann rufen Sie uns gerne an. Wir sind jederzeit für Sie erreichbar.
Weitere Informationen:
Leitfaden Einheitspatent
https://www.epo.org/applying/european/unitary_de.html
Einheitspatentgericht
https://www.unified-patent-court.org/en